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Teil 8: Distanzfischen

Schuppenkarpfen aus 100 m Entfernung

In den letzten Jahren haben sich die Angeltechniken und damit auch die Angelgeräte für das Karpfenfischen sehr verändert. Das liegt nicht zuletzt an dem Trend, in immer größeren Distanzbereichen zu Fischen. Diese Vorgehensweise hat sicher in einigen Gewässern, wie z.B. den großen französischen Stauseen ihre Berechtigung. Oftmals wird aber ohne große Überlegung einfach geworfen was das Zeug hält, nach dem Motto: Je weiter, je besser bzw. desto größer die Karpfen. Dabei wird oft übersehen, das sich viele wirklich gute Angelplätze direkt im Uferbereich befinden und so schwimmen die Karpfen "seelenruhig" unter der Rutenspitze vorbei, während die Köder in 100 m Entfernung liegen! Man sollte sich daher nicht zu sehr von dem derzeitigen Long-Range Trend beeinflussen lassen und immer dort fischen, wo auch die Karpfen sind, ob das nun in 2 oder 200 m Entfernung ist.


Grundlagen

Nach dieser kritischen Vorbemerkung nun zu den Grundlagen. Grundsätzlich gibt es zwei Methoden, weit entfernte Futterplätze zu befischen:

1. Man wirft entsprechend weit.
2. Man schwimmt oder fährt die Montage aus.

Bei beiden Methoden stößt man irgendwann an die Grenzen des Machbaren. Bei Methode 1 ist das die maximal erreichbare Wurfweite, die abhängig vom verwendeten Gerät und von der Wurftechnik ist. Bei Methode 2 ist auf jeden Fall die Schnurkapazität der Rolle limitierend, aber auch die Dehnung der Hauptschnur (dazu später). Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Methode 1 für Distanzen bis ca. 120 m, Methode 2 an Gewässern, an denen die Bootsbenutzung erlaubt ist und bei Entfernungen über 120 m.

Zu den einzelnen Angelgeräten wurde bereits in den ersten Teilen einiges geschrieben. Ich will hier daher nur noch einige wichtige Punkte für das Distanzfischen ergänzen:

Ruten

Weitwurfruten zeichnen sich durch eine große Testkurve und damit ein hohes Wurfgewicht aus. Bei der Beringung kommen wenige große (Sic-)Ringe zum Einsatz. Ob man nun eine eher schnelle oder eine etwas weichere Aktion bevorzugt ist Geschmacksache und sollte vor dem Rutenkauf durch Probewürfe getestet werden. Für eine weichere Rute spricht, dass die Drilleigenschaften im Uferbereich besser sind, Ruten mit einer schnellen Aktion werfen dafür etwas weiter. Testkurve 2,75-3,75 lbs und 12-13 ft Länge. Empfehlenswerte Modelle: Armalite SP, Sportex FBC, Jim Gibbinson Eclipse, Kevin Maddocks Exocet, Browning La Carpe.

Rollen

Für weite Würfe braucht man eine Rolle, die eine große Spule hat. Außerdem sollte die Schnurwicklung sehr präzise sein, damit sich die Schnur beim Wurf ohne zu Hakeln abwickelt. Für den Extremeinsatz haben die Karpfenangler daher die großen Brandungsrollen für sich entdeckt. Klassischer Vertreter dieses Rollentyps ist die wohl allen bekannte legendäre Daiwa SS 3000 bzw. das aktuelle Modell Daiwa Tournament 5000 T. Diese beiden Rollen gehören wohl zu dem Feinsten und Besten, was je an Weitwurfrollen produziert wurde. Allerdings kosten diese Rollen auch nicht gerade wenig: 400-500 DM muss man für ein solches Kultobjekt schon anlegen. Wem das zu teuer ist, der kann auf weitere Modelle aus dem Hause Daiwa zurückgreifen. Die Rollen der Emblem Serie sind ebenfalls vorzüglich und sind schon für Preise ab ca. 200 DM zu haben. Ersatzspulen kosten so zwischen 70 und 120 DM. Wer wirklich weit hinaus will, kann noch auf die Modelle Tournament 6000 T bzw. Emblem 6000 zurückgreifen. Aber Vorsicht: Diese Monstren sind wahre Kabeltrommeln und wirklich nur für den Extremeinsatz gedacht. Auch Shimano stellt seit Jahren gute Weitwurfrollen her. Die Rollen der Biomaster GT Special Serie liegen etwa im Preisbereich der Emblem Rollen. Wenn man die Montagen ausfährt ist in erster Linie eine große Schnurkapazität erforderlich. Diese bieten neben den oben erwähnten Rollen auch die Shimano Baitrunner US Modelle in den Größen 4500 und 6500.

Schnur

Bei der Auswahl der Schnur muss man Kompromisse eingehen: So dünn wie möglich, aber trotzdem stark genug für den Drill kapitaler Fische sollte sie sein. Sofern man in einem hindernisfreien Gewässer fischt, ist das eigentlich kein Problem. Sobald aber versunkene Bäume und/oder Muschelbänke usw. vorhanden sind, sollte man lieber auf Nummer sicher gehen und im Zweifelsfall eine stärkere Schnur verwenden. Für das Distanzfischen gut geeignet ist die Nash Power+ Schnur. Die Power+ zeichnet sich durch eine hohe Tragkraft bei sehr guter Abriebfestigkeit aus. Die 12 lbs Variante hat einen Durchmesser von 0,31 mm und ist im Vergleich zur Big Game Line (12 lbs = 0,34 mm) deutlich dünner und damit besser zu Werfen. Softsteel, die neue Schnur von Fox, soll auch sehr gut sein, ich habe die Schnur aber noch nicht getestet.
Falls man die Montage ausfährt, kann man auch ruhig auf etwas dickere Schnüre zurückgreifen, es sei denn, man fischt auf Extremdistanzen, wo es auf jeden Meter zusätzliche Schnurfassung ankommt.
Seit einiger Zeit bieten sich als Alternative zu den monofilen Schnüren die geflochtenen Leinen aus Dyneema an. Vorteile der geflochtenen Schnüre sind die enorm hohe Tragkraft bei minimalem Durchmesser, die Langlebigkeit und die hohe Abriebfestigkeit. Der Auftrieb, den die Dyneema-Schnüre bieten, ist auch vorteilhaft, da die Leine so von Hindernissen am Boden ferngehalten wird. Ein weiterer Punkt, nämlich die nicht vorhandene Dehnung, kann bei großen Distanzen positiv sein, beim Drill in Ufernähe aber auch schnell zum Fischverlust führen. Letztendlich ist auch noch der Preis der geflochtenen Schnüre zu berücksichtigen, der deutlich über dem, der monofilen Leinen liegt. Wer nun denkt, dass man mit den Dyneema-Geflechten nun die ideale Weitwurfschnur gefunden hat, der hat weit gefehlt, denn die Schnüre lassen sich aufgrund ihrer rauen Oberfläche und der enormen Weichheit nicht allzu gut werfen. Hat man aber vor, die Montagen mit dem Boot auf große Distanzen auszufahren, dann ist eine geflochtene Schnur empfehlenswert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dünne Schnur = große Schnurfassung und keine Dehnung = exakte Bissanzeige. Hat man sich dann an den Fisch herangedrillt, sollte man die Bremse allerdings ruhig etwas weicher einstellen, denn eine schnelle Flucht kann sonst nicht abgefedert werden. Auch die Verwendung von etwas weicheren Ruten kann die mangelnde Schnurdehnung etwas ausgleichen.
Bei der Verwendung von relativ dünnen Monofilen in Kombination mit schweren Wurfgewichten kann es ein Problem geben: Die Schnur hält den enormen Kräften beim Wurf nicht stand und die Montage reißt ab. Ich verwende daher immer 5-6 m Schlagschnur aus 0,25-0,30 mm Dyneema. Damit habe ich das Wurfproblem im Griff und gleichzeitig einen ganz brauchbaren Schutz vor Muscheln und Kiesbänken.

Bleie

Bewährt haben sich stromlinienförmige Inline Bleie in Kombination mit Anti Tangle Schlauch. Sehr empfehlenswert sind die Bleie aus dem Hause Korda, es gibt aber mittlerweile auch einige andere Anbieter, die qualitativ hochwertige Bleie anbieten. Die GD-Inline Bleie sind für weite Würfe ideal. Aufgrund der speziellen Form mit innenliegender Wirbelfixierung fliegen die Bleie nicht nur besonders weit, sondern sind auch besonders verwicklungsfrei. Für die Extremdistanz kommen Bleie um 150g zum Einsatz. Dabei haben sich flache Bleie mit guter Bodenhaftung bewährt. Bei starkem Wellengang können selbst 150g zu leicht sein. In Extremfällen muss man dann auch mal 2 X 150g anhängen.

Haken

Damit der Fisch auf große Distanz gehakt werden kann, sollte der verwendete Haken sehr scharf sein. Bewährt haben sich bei mir der Drennan Continental Boiliehook und der Ashima Super Heavy Hook.

Bissanzeiger

Letztendlich sollte man auch auf eine optimale Bissanzeige achten. Der Spielraum, den der Fisch schon bei 80-100 m hat, ist enorm. Deshalb sollte die Schnur auch möglichst gut gespannt sein. Hilfreich sind dafür Bissanzeiger vom Typ Springer. Es handelt sich hier um einen flexiblen Glasfiberarm mit Signalkopf, der die Schnur stets auf Spannung hält und besonders Fallbisse sehr gut anzeigt. Ebenfalls sehr praktisch sind die Wasps von Kevin Nash. Hier kann man mit einer Feder die Schnurspannung einstellen.

Anfüttern

Sind keine Boote erlaubt, dann bietet sich in erster Linie ein Cobra Wurfrohr an. Mit ein bisschen Übung lassen sich damit Boilies auf etwa 100m Entfernung sehr gezielt anfüttern. Mit Partikeln sieht es allerdings schlecht aus. Man kann zwar mit Partikelkleber oder Paniermehl recht kompakte Kugeln formen und mit dem Groundbaiter auch ganz beachtliche Weiten erreichen, spätestens bei 50m Entfernung ist dann aber auch damit die "Schallgrenze" erreicht.
Mit einem Boot ist das Ausbringen von großen Futtermengen in beliebiger Entfernung wesentlich einfacher. Für kleine Gewässer reicht da schon ein Mini-Schlauchboot wie das Trail-Boat von Sevylor. Das Trail-Boat passt bequem in den Angelrucksack und lässt sich bei Bedarf sehr schnell startklar machen. Ich benutze das Miniboot schon seit 3 Jahren und es hat mir schon oft zu schönen Fängen verholfen. Grosse Gewässer wie z.B. die französischen Stauseen verlangen allerdings nach einem etwas größeren Boot. Dazu mehr in der nächsten Folge.
In vielen Vereinsgewässern ist die Benutzung eines Bootes aber nicht erlaubt. In solchen Fällen gibt es auch noch eine weitere Möglichkeit: ein ferngesteuertes Futterboot. Leider kostet so ein High Tech Utensil etwa 2000,- DM, eine Spezial Version mit eingebautem Tiefenmesser kommt fast auf 4000,- DM. Ich bin bis jetzt ohne ein Futterboot ausgekommen und denke, dass das auch weiterhin so bleiben wird. Mich schreckt dabei nicht nur der Preis ab, sondern auch der Gedanke, dass man es sich mit einem solchen "Helfer" doch etwas zu leicht macht und dann auch an eigentlich leicht erreichbaren Stellen auf das bequeme Futterboot zurückgreift anstatt zu werfen. Ich finde, ein bisschen Anstrengung gehört zum Fischen dazu und die sollte sich nicht allein auf die Steuerung eines kleinen Bootes beschränken. Sicher gibt es einige Situationen, an denen ein ferngesteuertes Boot durchaus sinnvoll ist. Ich glaube aber, dass dies doch eher die Ausnahme ist.

Wurftechnik

Gute Wurftechnik ist ein Kapitel für sich. Zielgenaue Würfe sind für jeden Angler eine Grundvoraussetzung zum Erfolg. Wie jeder im einzelnen optimale Wurfweiten erzielt ist unterschiedlich und ich kann daher nur ein paar Anregungen geben: Es hat sich bewährt, wenn man den Verbindungsknoten zur Schlagschnur so aufspult, dass er sich genau an der Spulenoberkante befindet. Dadurch gleiten die ersten Windungen leicht über den Knoten hinweg. Zum Wurf wird die Schnur dann so aufgespult, dass der Abstand vom Spitzenring bis zum Blei ca. 80-100cm beträgt. Nun wird die Rute über dem Kopf nach hinten geführt. Eine gute Beschleunigung lässt sich erzielen, wenn man den Wurfbogen relativ groß wählt, d.h. wenn das Blei sich vor dem Wurf fast über dem Boden befindet. Das lässt sich noch weiter optimieren, wenn man das Blei auf eine Art "Abschussrampe" ablegt. Dazu kann man z.B. einen Groundbaiter verwenden, der auf einen kurzen Bankstick geschraubt wird, andere wiederum verwenden ein Stück Regenrinne. Vorsicht: Bei Ruten der 3,5 Pfund Klasse und Gewichten über 100g treten enorme Kräfte auf. Um den Zeigefinger zu schonen, sollte man einen Fingerling oder einen Lederhandschuh verwenden! Sollten nun trotz mehrerer Versuche und optimaler Wurftechnik immer noch ein paar Meter zur Futterstelle fehlen, dann kann man oft mit "Feintuning" noch ein paar Meter rauskitzeln. Ein etwas schwereres oder auch leichteres Blei, eine optimierte Bleiform können schon zum Erfolg verhelfen. Auch ein etwas kleinerer Boilie bringt schon einiges. Um das zu testen muss man nur mal ohne Köder werfen, ein 18mm Boilie kostet mindestens 10m Wurfweite! Letztendlich gibt es da noch ein kleines Wundermittel Namens "Greased Lightning" von Kryston. Dabei handelt es sich um eine ölartige Flüssigkeit, die vor dem Wurf auf die Spule getropft wird und dadurch die Gleiteigenschaft der Schnur deutlich verbessert. Das macht sich besonders bei etwas älteren Schnüren bemerkbar, die durch Algen, Schwebeteilchen usw. leicht verschmutzt sind.

Biss/Drill/Landung

Je weiter die Entfernung, desto schlechter die Bissanzeige. Bekommt man auf mittlere Distanzen meist einen schnellen Run, so kann sich der Biss auf große Entfernung nur durch einen kurzen Drop-Back bemerkbar machen. Entsprechend schwammig verläuft dann auch die erste Drillphase in der man manchmal einen 30 Pfünder nicht von einer Brasse unterscheiden kann. Bei Verwendung von geflochtenen Schnüren verbessert sich die Fischkontrolle zwar erheblich, dafür muss man allerdings im Nahbereich etwas vorsichtiger drillen (s.o.). Überhaupt stellt die Endphase des Drills ein Hauptproblem dar, da die Abfederung von plötzlichen Fluchten mit dem harten Gerät nur bedingt möglich ist. Problematisch kann es manchmal werden, wenn sich der Fisch auf dem weiten Weg zum Ufer in ein Hindernis flüchtet. Manchmal hilft da nur noch ein Boot(mehr dazu in der nächsten Folge).

Fazit

Distanzfischen kann eine sehr erfolgreiche Variante der Karpfenangelei sein. Man sollte aber in jedem Fall kritisch prüfen, ob eine solche Technik an dem Gewässer wirklich nötig ist, oder ob man nur dem allgemeinen Trend folgend einfach "nur so" weit draußen fischen will. Wenn sich gute Angelstellen in Ufernähe befinden, würde ich diese immer bevorzugen.

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